Der BGH hat am 18.01.2017 über die Revision gegen ein Berufungsurteil des OLG Stuttgart entscheiden. Streitgegenstand war ein Kaufvertrag über einen gebrauchten Rolls Royce Corniche Cabrio. Der Käufer hatte im Rahmen der Anmeldung des Fahrzeugs leidvoll erfahren, daß es im Schengener Informationssystem (SIS) von französischen Behörden als gestohlen gemeldet und zur Fahndung ausgeschrieben worden war: Es wurde polizeilich sichergestellt. Die Parteien streiten über das Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag wegen eines Rechtsmangels gemäß §§ 435, 440, 323 BGB.
Urteil des BGH vom 18.01.2017, VIII ZR 234/15
Vorgehend: OLG Stuttgart, LG Ravensburg
Leitsatz:
Die bei Gefahrübergang vorhandene und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung
fortbestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dem Schengener Informati-
onssystem (SIS) zum Zwecke der Sicherstellung und Identitätsfeststellung ist
ein erheblicher Rechtsmangel, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag
berechtigt (im Anschluss an und Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Februar
2004 - VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802).
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. September 2015 wird
zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines mit dem Beklagten ge-
schlossenen Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen.
Die Parteien schlossen Mitte des Jahres 2012 mündlich einen Kaufver-
trag über einen gebrauchten Rolls Royce Corniche Cabrio (Oldtimer) zum Preis
von 29.000 €. Nach Eingang der vereinbarten Anzahlung in Höhe von 1.000 €
am 11. Oktober 2012 übergab der Beklagte dem Kläger den Pkw Mitte Oktober
2012 gegen Zahlung des Restkaufpreises.
Bei dem Versuch des Klägers, den Pkw Ende Juli 2013 anzumelden,
wurde das Fahrzeug polizeilich sichergestellt, weil es im Schengener Informati-
onssystem (SIS) von französischen Behörden als am 6. Juni 2012 gestohlen
gemeldet und zur Fahndung (Sicherstellung und Identitätsfeststellung) ausge-
schrieben worden war. Gegen den Kläger und den Beklagten wurden von der
Staatsanwaltschaft Düsseldorf strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des
Verdachts der Hehlerei eingeleitet. Am 30. September 2013 erfolgte die Freiga-
be des Kraftfahrzeugs, nachdem im Zuge der Ermittlungen die Vermutung auf-
gekommen war, der ehemalige französische Eigentümer des Kraftfahrzeugs
habe den Diebstahl zum Zwecke des Versicherungsbetrugs nur vorgetäuscht.
In der Freigabebescheinigung des Polizeipräsidiums Düsseldorf an den Kläger
ist vermerkt, dass keine Bedenken gegen eine amtliche Zulassung bestünden.
Am 17. Dezember 2013 wurde der Pkw auf den Kläger zugelassen. Die zu-
nächst im November 2013 eingestellten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfah-
ren gegen die Parteien wurden im Januar 2014 wieder aufgenommen und
dauerten jedenfalls noch bis in das Jahr 2015 an. Das Fahrzeug ist nach wie
vor im SIS ausgeschrieben.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 2. Mai 2014 erklärte der Kläger gegen-
über dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte ihn auf, den
Kaufpreis gegen Rückgabe des Pkw zurückzuerstatten. Der Kläger ist der Auf-
fassung, die bei Fahrzeugübergabe vorhandene und weiter andauernde SIS-
Ausschreibung sei ein erheblicher Rechtsmangel. Der Beklagte stellt einen
Rechtsmangel in Abrede, weil es sich bei der SIS-Ausschreibung lediglich um
ein auf Missverständnissen beruhendes vorübergehendes Verwendungshinder-
nis handele, das ohnehin nur im Ausland bestünde und binnen kurzer Zeit be-
seitigt werden könnte.
Mit der Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 29.000 €
nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, sowie auf Zahlung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,68 € nebst Zinsen in
Anspruch. Das Landgericht hat dem Zug-um-Zug-Antrag in Höhe von 28.913 €
und dem weiteren Zahlungsantrag vollumfänglich, jeweils nebst Zinsen, statt-
gegeben; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Das Oberlandesgericht
hat die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Beklagten zurück-
gewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der
Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:
Im maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung habe das Kraftfahr-
zeug einen erheblichen Rechtsmangel (§ 435 BGB) aufgewiesen, da dessen
von den französischen Behörden veranlasste Eintragung in die SIS-
Fahndungsliste einen den Gebrauch der Kaufsache dauerhaft und nachhaltig
beeinträchtigenden Umstand darstelle. Das Kraftfahrzeug sei bereits zum Zeit-
punkt der Übergabe an den Kläger als gestohlen gemeldet und auch noch im
Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zur Fahndung ausgeschrieben gewesen.
Bei dem Eintrag in die SIS-Fahndungsliste handele es sich nicht nur um
ein vorübergehendes Zulassungshindernis; die Eintragung führe vielmehr zu
einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung, weil der Kläger bei einer Fahrt in
das Ausland mit einer Beschlagnahme des Fahrzeugs rechnen müsse. Bei ei-
ner Beschlagnahme im Ausland sei der Käufer aufgrund der tatsächlichen Ge-
gebenheiten (Sprache, Rechtssystem) faktisch für längere Zeit von der Nutzung
des erworbenen Kraftfahrzeugs ausgeschlossen und somit in dessen Gebrauch
erheblich eingeschränkt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die SIS-
Ausschreibung auch nach der Einstellung des gegen die Parteien in Deutsch-
land geführten Ermittlungsverfahrens und der Herausgabe des Fahrzeugs an
den Kläger nicht gelöscht worden sei. Für das Vorliegen eines Rechtsmangels
spreche auch der Umstand, dass der Kläger bei einem Verkauf des Pkw ver-
pflichtet wäre, den Umstand der fortbestehenden internationalen Ausschreibung
einem Käufer zu offenbaren. Dem Kläger sei es auch nicht zumutbar, selbst für
die Löschung des SIS-Eintrags zu sorgen. Es könne nicht Aufgabe des Käufers
sein, mit hohem Aufwand und ungewissem Erfolg selbst für eine bestehende
Gebrauchsbeeinträchtigung einzustehen.
Einer grundsätzlich nach § 323 Abs. 1 BGB für den Rücktritt notwendi-
gen Fristsetzung zur Nacherfüllung habe es vorliegend nicht bedurft, da dem
Kläger nach § 440 Satz 1 BGB die ihm zustehende Art der Nacherfüllung un-
zumutbar sei. In Anbetracht dessen, dass hier ein Diebstahl in Frankreich im
Raum stehe und sich der Sachverhalt durch die polizeilichen Ermittlungen über
Monate nicht habe aufklären lassen, sei eine Fristsetzung entbehrlich gewesen.
Dem Kläger sei es nicht zuzumuten abzuwarten, bis geklärt sei, ob das Kraft-
fahrzeug vom wahren Eigentümer veräußert worden sei und der Beklagte die
Löschung der SIS-Ausschreibung erreichen könne.
Im Übrigen sei die Fristsetzung auch nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB ent-
behrlich gewesen. Denn der Beklagte habe die Nacherfüllung ernsthaft und
endgültig verweigert. Bei dieser Wertung sei auch das Verhalten des Beklagten
im Prozess mit heranzuziehen. Hier habe der Beklagte durchgehend von An-
fang an seine Passivlegitimation und das Vorliegen eines Rechtsmangels be-
stritten. Damit habe er klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, er
werde den Mangel nicht beseitigen. Anhaltspunkte, dass der Beklagte durch
eine Fristsetzung zu besserer Einsicht gelangt wäre, lägen nicht vor. Der Be-
klagte habe zwar vorgetragen, es wäre ihm möglich gewesen, auf die Löschung
des SIS-Eintrags hinzuwirken, und er hätte diese auch erreicht. Er habe aber
weder nach Zugang der Rücktrittserklärung noch nach Zustellung der Klage-
schrift diesbezüglich etwas unternommen.
Da nach allem der Rücktritt wirksam erfolgt sei, seien die Klageansprü-
che in dem vom Landgericht ausgeurteilten Umfang begründet.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revi-
sion zurückzuweisen ist.
Dem Kläger steht nach wirksamem Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß
§ 437 Nr. 2, §§ 435, 440, 323 BGB der geltend gemachte Rückgewähranspruch
nach § 346 Abs. 1 BGB zu. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei ange-
nommen, dass der bereits bei Übergabe Mitte Oktober 2012 bestehende und im
Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (2. Mai 2014) andauernde Eintrag des Kraft-
fahrzeugs im SIS-Fahndungssystem einen erheblichen (§ 323 Abs. 5 Satz 2
BGB) Rechtsmangel im Sinne des § 435 Satz 1 BGB darstellt, der den Kläger
zum Rücktritt berechtigte.
1. Nach § 435 Satz 1 BGB ist die Sache frei von Rechtsmängeln, wenn
Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen
Rechte gegen den Käufer geltend machen können.
a) Der Verkäufer muss daher, um seine Leistungspflicht vollständig zu
erfüllen, nicht nur das materielle (Eigentums-)Recht als solches verschaffen,
sondern auch dafür sorgen, dass der Käufer die Kaufsache unangefochten und
frei von Rechten Dritter erwirbt und nutzen kann. Das Ziel der Rechtsverschaf-
fung ist umfassend, damit der Käufer, wie in § 903 Satz 1 BGB für den Eigen-
tümer vorgesehen, in die Lage versetzt wird, nach Belieben mit der Sache zu
verfahren (siehe BT-Drucks. 14/6040, S. 218; Staudinger/Matusche-Beckmann,
BGB, Neubearb. 2013, § 435 Rn. 8; vgl. auch Grunewald, Die Grenzziehung
zwischen der Rechts- und Sachmängelhaftung beim Kauf, 1980, S. 50 f.). Ein
Rechtsmangel liegt deshalb vor, wenn Rechte eines Dritten eine individuelle
Belastung des Käufers ergeben, also geeignet sind, ihn in der ungestörten Aus-
übung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beein-
trächtigen (MünchKommBGB/Westermann, 7. Aufl., § 435 Rn. 4; BeckOK-
BGB/Faust, Stand: August 2014, § 435 Rn. 6).
aa) Hinsichtlich der rechtlichen Natur dieser individuellen Belastung
kommen nicht nur dingliche Rechte eines Dritten, sondern auch obligatorische
Rechte in Betracht, wenn ihre Ausübung eine tatsächliche Beeinträchtigung der
Nutzung für den Käufer bedeuten, indem sie dem Rechtsinhaber ein Recht zum
Besitz der Sache verschaffen (Miet- und Pachtverhältnisse betreffend: BGH,
Urteile vom 2. Oktober 1987 - V ZR 105/86, NJW-RR 1988, 79 unter II 1; vom
17. Mai 1991 - V ZR 92/90, NJW 1991, 2700 unter III; vgl. auch Münch-
KommBGB/Westermann, aaO Rn. 7; Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., § 435
Rn. 8; BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 15; Staudinger/Matusche-Beckmann, aaO
Rn. 15).
bb) Auch auf öffentlichem Recht beruhende Eingriffsbefugnisse, Be-
schränkungen und Bindungen, die die Nutzung der Kaufsache beeinträchtigen,
können einen Rechtsmangel begründen (BT-Drucks. 14/6040, S. 217; BeckOK-
BGB/Faust, aaO Rn. 18 f.; MünchKommBGB/Westermann, aaO Rn. 10; Erman/
Grunewald, aaO Rn. 11). Dies gilt - in Abgrenzung zu den dem Bereich der
Sachmängelgewährleistung (§ 434 BGB) zuzuordnenden Sachverhalten - je-
denfalls dann, wenn das Eingreifen öffentlich-rechtlicher Normen nicht Folge
der (auch) einen Sachmangel begründenden nicht vertragsgemäßen Beschaf-
fenheit der Kaufsache ist; andernfalls liegt es nahe, (nur) einen Sachmangel
anzunehmen (Erman/Grunewald, aaO). Schematische Lösungen verbieten sich
hierbei (Senatsurteil vom 5. Dezember 1990 - VIII ZR 75/90, BGHZ 113, 106,
112).
(1) So hat der Senat in einem Fall, in dem Hasenfleisch verkauft wurde,
bei dem der begründete Verdacht der Salmonellenverseuchung bestand, einen
Sachmangel bejaht, weil die Kaufsache - unabhängig davon, dass sie in Folge
des Verdachts (auch) der öffentlich-rechtlichen Beschlagnahme unterlag - nicht
mehr für die vorgesehene Verwendung (Weiterveräußerung) tauglich war (Se-
natsurteil vom 14. Juni 1972 - VIII ZR 75/71, WM 1972, 1314 unter I 3). In Ab-
grenzung hiervon hat der Senat dagegen entschieden (Senatsurteil vom
5. Dezember 1990 - VIII ZR 75/90, aaO S. 112 f.), dass sich ein Käufer, der
Dieselkraftstoff zum Betrieb von Dieselmotoren bestellt, gegenüber dem Ver-
käufer mit Erfolg auf einen Rechtsmangel berufen kann, wenn in Abweichung
von der Bestellung ein mit Heizöl verunreinigter Dieselkraftstoff geliefert wird;
die Besonderheit dieses Falles, die zur Annahme eines Rechtsmangels führte,
lag darin, dass der gelieferte Kraftstoff zwar zur vertraglich vorgesehenen Ver-
wendung (Betrieb von Dieselmotoren) auch mit der Verunreinigung tauglich
war, er aber wegen der Heizölbeimischung der Gefahr der behördlichen Be-
schlagnahme unterlag. Die den Käufer treffende Beeinträchtigung lag mithin
nicht in der tatsächlichen Beschaffenheit der Sache, sondern darin, dass der
Verkäufer dem Käufer nur Eigentum ohne rechtlichen Bestand verschaffen
konnte (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1990 - VIII ZR 75/90, aaO).
(2) Auch der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zieht die Grenze zwi-
schen Sach- und Rechtsmangel in Fällen, in denen öffentlich-rechtliche Befug-
nisse oder Beschränkungen auf die Nutzung eines verkauften Grundstücks
einwirken, in gleicher Weise. So liegt in öffentlich-rechtlichen Beschränkungen
der Bebaubarkeit eines verkauften Grundstücks, die an dessen Beschaffenheit
(insbesondere die Lage) anknüpfen, ein Sachmangel (BGH, Urteil vom 15. Juli
2011 - V ZR 171/10, BGHZ 190, 272 Rn. 5 mwN): Hingegen stellt etwa die So-
zialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung, die von deren
Beschaffenheit unabhängig ist, ebenso einen Rechtsmangel dar (BGH, Urteile
vom 9. Juli 1976 - V ZR 256/75, BGHZ 67, 134, 135 ff.; vom 21. Januar 2000
- V ZR 387/98, NJW 2000, 1256 unter II 1) wie eine Veränderungssperre (BGH,
Urteil vom 20. Dezember 1985 - V ZR 263/83, BGHZ 96, 385, 390 f.)
oder die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Grundstückseigentümers, einen
Teil des verkauften Grundstücks als Straßenbauland an die Gemeinde zu ver-
äußern (BGH, Urteil vom 4. Juni 1982 - V ZR 81/81, NJW 1983, 275 unter
II 3 b).
(3) Dementsprechend hat der Senat die nach § 111b StPO (rechtmäßig)
durchgeführte Beschlagnahme eines im Ausland als gestohlen gemeldeten
Kraftfahrzeugs - deren allein der Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche des durch
die Straftat Verletzten dienende Anordnung keine Folge der Beschaffenheit des
Fahrzeugs war - als Rechtsmangel angesehen und es insoweit als genügend
erachtet, wenn der Sachverhalt, aufgrund dessen die (spätere) Beschlagnahme
erfolgt, bereits bei Gefahrübergang vorhanden war (Senatsurteil vom 18. Feb-
ruar 2004 - VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802 unter II 1). Diese Rechtsprechung
geht zurück auf zwei Entscheidungen des Reichsgerichts, in denen die rechtli-
chen Folgen von öffentlich-rechtlichen Beschlagnahmebefugnissen (zum einen
aufgrund Verstoßes gegen Einfuhrbestimmungen [RGZ 105, 390], zum anderen
aufgrund Verstoßes gegen zollrechtliche Bestimmungen [RGZ 111, 86]) zu klä-
ren waren. In beiden Fällen hat es bereits das Reichsgericht für die Annahme
eines Rechtsmangels ausreichen lassen, dass bei Gefahrübergang ein Sach-
verhalt vorliegt, der einen staatlichen Zugriff auf die Kaufsache im Wege einer
künftigen Beschlagnahmeanordnung ermöglicht (RGZ 105, 390, 391 f.; RGZ
111, 86, 88 f.). Im Anschluss daran hat auch der V. Zivilsenat des Bundesge-
richtshofs entschieden, dass ein Rechtsmangel bereits dann gegeben ist, wenn
das Recht eines Dritten auch nur potentiell geeignet ist, den Käufer in der un-
gestörten Ausübung der ihm gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen
(BGH, Urteil vom 11. Dezember 1991 - V ZR 204/91, NJW-RR 1993, 396 unter
II 2; so auch Staudinger/Matusche-Beckmann, aaO Rn. 9).
b) Nach den vorstehend aufgezeigten Maßstäben ist (bereits) die Eintra-
gung eines Kraftfahrzeugs in die Fahndungsliste aufgrund einer SIS-
Ausschreibung als Rechtsmangel anzusehen (so auch die einhellige Auffas-
sung der Oberlandesgerichte; vgl. OLG Köln NJW-RR 2014, 1080; OLG Düs-
seldorf vom 20. Februar 2015 - I-22 U 159/14, juris; OLG München, Urteil vom
2. Mai 2016 - 21 U 3016/15, juris). Zwar handelt es sich bei dem Schengener
Informationssystem (nur) um eine interne Datenbank der Sicherheitsbehörden
des Schengen-Raumes, mit der - anders als bei einer bereits vollzogenen be-
hördlichen Beschlagnahme oder Sicherstellung - noch kein unmittelbarer Ein-
griff in Form des Entzugs der Sache verbunden ist. Die Eigenart der auf einem
internationalen Abkommen beruhenden SIS-Sachfahndung gebietet es jedoch,
bereits die Eintragung als solche und nicht erst eine daraufhin erfolgende Be-
schlagnahme oder Sicherstellung als Rechtsmangel einzuordnen. Denn bereits
die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dieses Fahndungssystem ist für den
Käufer mit der Gefahr einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung verbunden
und führt damit zu einer individuellen Belastung, die geeignet ist, den Käufer in
der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden
Rechtsposition zu beeinträchtigen.
aa) Die SIS-Ausschreibung hat ihre rechtliche Grundlage in dem Be-
schluss 2007/533/JI des Europäischen Rats vom 12. Juni 2007 über die Errich-
tung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der
zweiten Generation (SIS II; ABl. L 205/63). In Art. 38 Abs. 1, 2 Buchst. a dieses
Beschlusses ist geregelt, dass Daten in Bezug auf Kraftfahrzeuge, die zur
Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren gesucht werden, in das
Fahndungssystem eingegeben werden können. Wird das gesuchte Fahrzeug
aufgefunden, wird dem aufgreifenden Mitgliedsstaat in Art. 39 Abs. 3 des Be-
schlusses aufgegeben, Maßnahmen nach Maßgabe seines nationalen Rechts
zu ergreifen.
bb) Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist die SIS-Ausschreibung
eines Kraftfahrzeugs mit der konkreten, im gesamten Schengen-Raum beste-
henden Gefahr verbunden, dass bei der Zulassung des Fahrzeugs, einer Hal-
teränderung oder bei einer polizeilichen Kontrolle die Eintragung festgestellt
wird und das Fahrzeug daraufhin behördlicherseits - nach den jeweiligen
Rechtsvorschriften des Landes, in dem es aufgefunden wird - rechtmäßig si-
chergestellt oder beschlagnahmt wird, wie es auch im vorliegenden Fall Mitte
des Jahres 2013 für die Dauer von mehreren Monaten geschehen ist.
Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die Einordnung als
Rechtsmangel unerheblich, dass der streitgegenständliche Pkw hier nach der
Sicherstellung in Düsseldorf von der dortigen Polizei wieder freigegeben wurde
und der Kläger das Fahrzeug anschließend zum Straßenverkehr zulassen
konnte. Denn die Ausschreibung besteht nach wie vor, weil ungeachtet der
schon länger andauernden Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden bisher
nicht abschließend geklärt werden konnte, ob der Pkw dem (früheren) französi-
schen Eigentümer abhandengekommen oder er Gegenstand eines Versiche-
rungsbetruges gewesen ist; auch das - zwischenzeitlich für kurze Zeit einge-
stellte - Ermittlungsverfahren gegen beide Parteien dauerte jedenfalls bis in das
Jahr 2015 hinein an.
Die SIS-Ausschreibung erschöpft sich deshalb entgegen der Auffassung
der Revision nicht in einem vorübergehenden Zulassungshindernis. Denn die
durch die Eintragung begründeten Zugriffsmöglichkeiten der staatlichen Straf-
verfolgungsbehörden des Schengen-Raums bestehen fort, solange die Eintra-
gung nicht beseitigt ist. Damit kann der Kläger, selbst wenn er - was angesichts
der ungeklärten Historie des Fahrzeugs offen ist - Eigentümer des Fahrzeugs
geworden sein sollte, gerade nicht, wie in § 903 Satz 1 BGB vorgesehen, unbe-
lastet von (Zugriffs-)Rechten Dritter nach Belieben mit der Kaufsache verfahren.
Denn sobald er das Fahrzeug im öffentlichen Raum bewegt, muss er damit
rechnen, dass dieses, je nach Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden, erneut
beschlagnahmt wird. Dies wäre für den Kläger, wie das Berufungsgericht zutref-
fend erkannt hat, nicht nur mit einem Verlust der Nutzungsmöglichkeit für einen
nicht ohne weiteres abzusehenden Zeitraum, sondern mit Blick auf die zur Wie-
dererlangung des Fahrzeugbesitzes erforderlichen Anstrengungen auch mit
erheblichen weiteren Nachteilen - insbesondere bei einer Sicherstellung im
Ausland - verbunden.
Darüber hinaus ist die Verkäuflichkeit des Pkw durch die Eintragung
stark beeinträchtigt; denn der Kläger wäre redlicherweise gehalten, einen po-
tentiellen Käufer über die nach wie vor bestehende Ausschreibung aufzuklären.
Diese gravierenden Folgen rechtfertigen es, bereits die aufgrund behördlicher
Verfügung erfolgte SIS-Ausschreibung als einen - im Sinne des § 323 Abs. 5
Satz 2 BGB erheblichen - Rechtsmangel anzusehen.
cc) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass vorliegend der
Grund der Eintragung des Fahrzeugs in das SIS in dem ungeklärten Eigen-
tumsherausgabeanspruch eines Dritten besteht, der durch seine Diebstahlsan-
zeige das Ermittlungsverfahren initiiert hat. Zwar trifft es zu, dass ein nur be-
haupteter Anspruch eines Dritten einen Rechtsmangel nicht begründen kann
(BT-Drucks. 14/6040 S. 217), sondern es eines tatsächlich bestehenden Rechts
eines Dritten bedarf, um einen Rechtsmangel annehmen zu können (BeckOK-
BGB/Faust, aaO Rn. 8). Die den Käufer im Streitfall unmittelbar treffende indivi-
duelle Belastung ist jedoch nicht in dem ungeklärten Eigentumsherausgabean-
spruch zu sehen, sie liegt vielmehr in den durch die Eintragung eröffneten Zu-
griffsmöglichkeiten staatlicher Behörden auf die Kaufsache.
Dass die Eintragung - solange das Ermittlungsverfahren nicht abge-
schlossen beziehungsweise die Eigentumslage nicht geklärt ist - auf einer sich
auf die Diebstahlsanzeige gründenden "Vermutung" beruht, ist für die Annahme
des Rechtsmangels unerheblich (vgl. auch Erman/Grunewald, aaO Rn. 12).
Vielmehr hat der Gesetzgeber insoweit auch Fallgestaltungen für denkbar ge-
halten, in denen der Verkäufer dafür einsteht, dass Dritte keine Rechte geltend
machen, und er etwaig erhobene Ansprüche abzuwehren hat (BT-Drucks.
14/6040, S. 218). Darum geht es auch hier. Denn es versteht sich bei einem
Kraftfahrzeugkauf von selbst, dass der Verkäufer als Teil seiner Erfüllungs-
pflicht ein Fahrzeug zu verschaffen hat, das problemlos zur Straßenverkehrszu-
lassung gebracht und ohne Sorge vor behördlicher Beschlagnahme im In- und
Ausland benutzt werden kann.
2. Der am 2. Mai 2014 erklärte Rücktritt ist - entgegen der Auffassung
der Revision - auch nicht etwa deshalb unwirksam, weil es der Kläger versäumt
hätte, dem Beklagten zuvor eine nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforder-
liche Frist zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) zu setzen. Denn das Berufungsge-
richt hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen und unter
Berücksichtigung der sich hieraus ergebenden Umstände des Streitfalls jeden-
falls im Ergebnis zutreffend angenommen, dass es hier einer Fristsetzung zur
Nacherfüllung vor Erklärung des Rücktritts nicht bedurfte.
a) Allerdings ergibt sich die Entbehrlichkeit der Fristsetzung vorliegend
nicht, wie das Berufungsgericht meint, aus § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Nach der
Rechtsprechung des Senats sind, was auch das Berufungsgericht im Ansatz
nicht verkennt, an das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungs-
verweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB strenge Anforderungen zu
stellen. Eine Erfüllungsverweigerung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der
Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde
seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen (st. Rspr.; zu-
letzt Senatsurteil vom 1. Juli 2015 - VIII ZR 226/14, NJW 2015, 3455 Rn. 33
mwN).
Ob ein Verkäufer die Nacherfüllung endgültig und ernsthaft verweigert
hat, unterliegt zwar der tatrichterlichen Würdigung (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli
2015 - VIII ZR 226/14, aaO Rn. 34 mwN); diese ist jedoch revisionsrechtlich
darauf überprüfbar, ob der Tatrichter von den zutreffenden rechtlichen Maßstä-
ben ausgegangen ist und alle Umstände des Falles, insbesondere das gesamte
Verhalten des Verkäufers, berücksichtigt hat (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2015
- VIII ZR 226/14, aaO).
Das Berufungsgericht hat den bereits in der Klageerwiderung gehaltenen
und in der Folgezeit beibehaltenen Vortrag des Beklagten, er sei nicht passiv
legitimiert, sowie das prozessuale Bestreiten eines Mangels dahin gewürdigt,
der Beklagte habe die Erfüllung endgültig und ernsthaft verweigert. Damit hat
es in Abweichung von höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätzen die
Anforderungen an eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung zu
niedrig angesetzt. Nach der Rechtsprechung des Senats kann aus dem bloßen
Bestreiten von Mängeln nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände - die
das Berufungsgericht hier nicht festgestellt hat - auf eine endgültige Nacherfül-
lungsverweigerung geschlossen werden (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2015
- VIII ZR 226/14, aaO). Gleiches gilt für die Behauptung, nicht passivlegitimiert
zu sein.
b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, dass
eine Fristsetzung hier nach § 440 Satz 1 BGB entbehrlich war, weil es dem
Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Rücktritts nicht zuzumuten war, sich
noch auf eine Nacherfüllung (Beseitigung der SIS-Eintragung bei den französi-
schen Behörden) durch den Beklagten einzulassen. Das Berufungsgericht hat
maßgeblich darauf abgestellt, dass zu diesem Zeitpunkt - nach wie vor - sowohl
der Verdacht eines durch den französischen Eigentümer begangenen Versiche-
rungsbetruges als auch eines zu dessen Nachteil begangenen Diebstahls im
Raum stand und die im Zeitpunkt des Rücktritts (2. Mai 2014) seit mehr als
18 Monaten andauernden Ermittlungsmaßnahmen der Polizei den Sachverhalt
nicht hatten klären können. Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass es dem
Kläger unter diesen Umständen nicht zuzumuten war, noch abzuwarten, ob der
Beklagte in absehbarer Zeit etwas würde erreichen können, was den Ermitt-
lungsbehörden bisher nicht gelungen war, lässt einen Rechtsfehler nicht erken-
nen.
Vergeblich rügt die Revision, das Berufungsgericht habe in diesem Zu-
sammenhang entscheidungserhebliches Vorbringen des Beklagten nicht ge-
würdigt. Der Beklagte, so die Revision, habe vorgetragen, er sei seit der Ein-
stellung des Ermittlungsverfahrens am 13. November 2013 bis zum Erhalt der
Rücktrittserklärung im Mai 2014 von einer Aufklärung der Angelegenheit aus-
gegangen, auch weil ihm ein Mitarbeiter der französischen Versicherungsge-
sellschaft mitgeteilt habe, der frühere Eigentümer habe einen Versicherungsbe-
trug oder einen versuchten Versicherungsbetrug begangen. Die Beibehaltung
der Ausschreibung könne nur auf einem Missverständnis beruhen, denn die
französischen Ermittlungsbehörden hätten von der Versicherung die unzutref-
fende Auskunft erhalten, das Fahrzeug sei noch nicht gerichtlich freigegeben
und die Ermittlungen in Deutschland seien noch nicht abgeschlossen. Er, der
Beklagte, hätte die Möglichkeit gehabt, über das Landeskriminalamt oder das
Bundeskriminalamt oder durch entsprechenden Nachdruck bei der Kriminalpoli-
zei in Düsseldorf auf die Löschung des SIS-Eintrags hinzuwirken und hätte dies
wohl auch erreicht.
Diese Umstände sind indes nicht geeignet, die Würdigung des Beru-
fungsgerichts zur Unzumutbarkeit der Nacherfüllung in Frage zu stellen. Denn
bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit kommt es maßgeblich auf den Erkennt-
nisstand des Klägers als Käufer im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung an. Aus
dessen Sicht war es aber am 2. Mai 2014 entscheidend, dass es - wie bereits
ausgeführt - in einem nach Übergabe des Fahrzeugs verstrichenen Zeitraum
von 18 Monaten nicht einmal den strafrechtlichen Ermittlungsbehörden gelun-
gen war, den Sachverhalt aufzuklären. Der Hinweis des Beklagten auf die Ein-
stellung der Ermittlungen am 13. November 2013 liegt neben der Sache. Denn
die - von den deutschen Behörden geführten - strafrechtlichen Ermittlungen
wurden nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision auch nicht angegrif-
fenen Feststellungen des Berufungsgerichts kurz nach deren Einstellung - auch
gegen den Beklagten - wieder aufgenommen und dauerten jedenfalls bis in das
Jahr 2015 noch an. Die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass es dem Klä-
ger unter diesen Umständen im Mai 2014 nicht zumutbar war abzuwarten, ob
der Beklagte nunmehr (erfolgreich) versuchen könnte, den Sachverhalt in ab-
sehbarer Zeit doch noch aufzuklären und eine Löschung des Eintrags zu errei-
chen, ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.