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Arbeitsrecht : Sachgrundlose/Kalendermäßige Befristung und Zuvorbeschäftigung
09.11.2021 10:06 (923 x gelesen)

§ 14 II 2 TzBfG normiert ein Zuvorbeschäftigungsverbot, wenn Arbeitnehmer/innen ohne Sachgrund, also nur kalendermäßig befristet beschäftigt werden sollen.

Nach einer vom BVerfG als grob rechtswidrig beurteilten Entscheidung des BAG sollte das aber möglich sein, wenn der/die Arbeitnehmer/in zuvor nur mind. drei Jahre nicht im selben Betrieb beschäftigt wurde. Das BVerfG sagte aber auch, daß § 14 II 2 TzBfG verfassungskonform auszulegen ist und eine kalendermäßige Befristung wieder möglich sei, wenn es sich um eine ganz anders geartete Tätigkeit handelt und die Zuvorbeschäftigung sehr lange Zeit zurückliegt. Letzteres ist nach BAG vom 21.08.2019, 7 AZR 452/17 bei einer Zuvorbeschäftigung der Fall, die 22 Jahre zurück liegt. Die Grenze wird bei 20 Jahren festzumachen sein.

Im Folgenden ein Urteil des BAG zur "ganz anders gearteten Tätigkeit".



Urteil des BAG vom 16.09.2020, 7 AZR 552/19:

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 12. September 2019 – 5 Sa 7/19 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer sachgrundlosen Befristung.
2
Der Kläger absolvierte bis zum Jahr 1988 an der TU D ein Hochschulstudium in der Fachrichtung Technische Gebäudeausrüstung. In der Folgezeit übte er bei verschiedenen Arbeitgebern unterschiedliche Tätigkeiten aus, ua. war er als Objektingenieur Ausrüstung, Abteilungsleiter Absatz, Leiter Thermische Solaranlagen/Heizung und Service Ingenieur beschäftigt.
3
Vom 14. April 2008 bis zum 13. April 2010 war der Kläger bei dem Beklagten im Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) als Sachbearbeiter tätig. Er wurde nach der Entgeltgruppe 10 TV-L vergütet. Über diese Tätigkeit erteilte der Beklagte dem Kläger unter dem 14. April 2010 ein Arbeitszeugnis, in dem auszugsweise ausgeführt wird:

        

„Seit seiner Einstellung war Herr B entsprechend seiner Qualifikation als Diplom-Ingenieur der Technischen Gebäudeausrüstung als Sachbearbeiter in der Gruppe Betriebstechnik des Bereiches Planungs- und Baumanagement eingesetzt. Sein Aufgabengebiet umfasste die

        

–       

Erstellung von Bauunterlagen,

        

        

–       

Eigenplanungen,

        

        

–       

Ausschreibung von Bauleistungen, Prüfung und Wertung von Angeboten, Vorbereitung der Zuschlagserteilung,

        

        

–       

Bauleitung/Bauüberwachung, Aufmaß und Abrechnung,

        

        

–       

Betreuung in der Zeit der Gewährleistung,

        

        

–       

Zusammenarbeit, Koordinierung und Überprüfung von beauftragten freiberuflich Tätigen sowie die

        

        

–       

Beratung der Objektmanager und Nutzer in fachspezifischen Angelegenheiten

        

        

auf dem Gebiet der Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Sanitärtechnik.“

        

4
Am 13. Oktober 2008 hatte der Kläger ein berufsbegleitendes Studium an der Sächsischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie aufgenommen. Dieses Studium beendete er am 24. September 2011 mit dem Abschluss als „Verwaltungs-Betriebswirt (VwA)“. Nach dem „Stoffplan“ der Sächsischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie umfasste das Studium 248 Stunden öffentliches Recht, 496 Stunden Wirtschaftswissenschaften, 180 Stunden Privatrecht sowie 84 Stunden Propädeutika in Wirtschaftsmathematik, Wirtschaftsinformatik und Technik des wissenschaftlichen Arbeitens/Rhetorik.
5
In der Zeit vom 14. April 2010 bis zum 31. August 2011 ging der Kläger keiner beruflichen Tätigkeit nach. Vom 1. September 2011 bis zum 31. Januar 2015 war er als Objektleiter technisches Gebäudemanagement bei einem Privatunternehmen tätig.
6
Mit Schreiben vom 5. März 2015 bewarb sich der Kläger bei dem Beklagten auf die Stelle eines Referenten im Referat 54 „Betriebssicherheit“ bei der Landesdirektion Sachsen. Aufgrund Arbeitsvertrags vom 22. Mai 2015 wurde der Kläger befristet für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis zum 31. Mai 2017 als Referent eingestellt. Er erhielt eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 13 TV-L. Nach der für die Stelle erstellten Tätigkeitsbeschreibung war der Kläger als Stelleninhaber verantwortlich für die Aufsicht über Einrichtungen, Betrieb und fristgemäße Überprüfung überwachungsbedürftiger Anlagen zum Lagern und Abfüllen von entzündlichen sowie leicht- und hochentzündlichen Flüssigkeiten (elh-Flüssigkeiten). Ferner war der Kläger als Stelleninhaber zuständig für den Vollzug der Arbeitsschutzgesetzgebung – insbesondere des Arbeitsschutzgesetzes, des Arbeitssicherheitsgesetzes und einschlägiger Verordnungen – in den Unternehmen ausgewählter Wirtschaftsbranchen.
7
Mit der am 16. Juni 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen, dem Beklagten am 22. Juni 2017 zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum 31. Mai 2017 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen seiner Vorbeschäftigung nicht nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt. Die Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber sei nicht unzumutbar. Die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten als Referent seien nicht ganz anders geartet als jene, die er im Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement als Sachbearbeiter ausgeübt habe. Ein Referent sei ein qualifizierter Sachbearbeiter. Mit beiden Funktionen seien weder eine Führungsposition noch Personalverantwortung verbunden. Für die Tätigkeit im Referat 54 „Betriebssicherheit“ sei vor allem technisches und bauliches Verständnis von großer Bedeutung, um Lösungsansätze im Bereich Betriebssicherheit entwickeln zu können. Die Tätigkeit als Referent baue auf den durch mehrjährige Berufserfahrung erworbenen Kenntnissen auf. Durch das berufsbegleitende Studium habe er bereits vorhandene Fähigkeiten ausbauen und rechtliche Kenntnisse hinzuerwerben können. Diese rechtlichen Kenntnisse seien jedoch nur für einzelne Tätigkeiten als Referent erforderlich gewesen. Die Aufgaben beider Stellen hätten darauf abgezielt, dass die Anlagen und Gebäude aus technischer Sicht nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet und unterhalten werden und den Sicherheitsbestimmungen entsprechen.
8
Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 22. Mai 2015 nicht mit Ablauf des 31. Mai 2017 geendet hat,

        

2.    

den Beklagten zu verurteilen, ihn über den 31. Mai 2017 hinaus zu unveränderten Bedingungen als Referent im Sächsischen Staatsministerium des Innern, Referat 54 Betriebssicherheit, Abteilung Arbeitsschutz oder zu vergleichbaren Bedingungen weiterzubeschäftigen.

9
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, das frühere Arbeitsverhältnis stehe der im Arbeitsvertrag vom 22. Mai 2015 vereinbarten sachgrundlosen Befristung nicht entgegen, da die Tätigkeiten des Klägers als Referent ganz andere gewesen seien als die im vorangegangenen Arbeitsverhältnis. Die Anwendung des sog. Vorbeschäftigungsverbots sei unzumutbar, da der Kläger sich in der Zeit zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen neu orientiert und erstmals die Voraussetzungen geschaffen habe, die eine Einstellung auf der Referentenstelle ermöglicht hätten. Erst das VwA-Studium habe die erforderlichen Rechtskenntnisse, die zur Einstellung auf der Referentenstelle geführt hätten, vermittelt. Nur als Referent bei der Landesdirektion habe der Kläger hoheitliche Aufgaben wahrgenommen. Die Stelle als Sachbearbeiter im Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement habe andere Zugangsvoraussetzungen gehabt als jene als Referent in der Landesdirektion. Für die Tätigkeit als Sachbearbeiter sei nur ein Bachelor-Abschluss bzw. ein Abschluss an einer Fachhochschule notwendig, während für die Tätigkeit als Referent ein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium erforderlich sei.
10
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Befristungskontrollklage (Klageantrag zu 1.) ist begründet. Der Weiterbeschäftigungsantrag (Klageantrag zu 2.) fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.
12
I. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 22. Mai 2015 mit Ablauf des 31. Mai 2017 geendet. Die Befristung ist unwirksam. Das haben die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht angenommen.
13
1. Die Befristung zum 31. Mai 2017 gilt nicht nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Der Kläger hat rechtzeitig iSd. § 17 Satz 1 TzBfG Befristungskontrollklage erhoben. Die Klageschrift ist am 16. Juni 2017 und damit innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Beendigungsdatum beim Arbeitsgericht eingegangen und wurde dem Beklagten demnächst iSd. § 167 ZPO am 22. Juni 2017 zugestellt.
14
2. Die Befristung des Arbeitsvertrags ist unwirksam. Sie ist nicht nach § 14 Abs. 2 TzBfG ohne Sachgrund gerechtfertigt, da der Kläger bereits zuvor in der Zeit vom 14. April 2008 bis zum 13. April 2010 bei dem Beklagten beschäftigt war.
15
a) Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
16
b) Zwar sind die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Voraussetzungen mit der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von zwei Jahren eingehalten; der Arbeitsvertrag wurde nicht verlängert. Der Befristung ohne Sachgrund steht jedoch das frühere Arbeitsverhältnis der Parteien vom 14. April 2008 bis zum 13. April 2010 entgegen. Die Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht unzumutbar.
17
aa) Das in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG normierte Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber wirkt grundsätzlich uneingeschränkt. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift deren Anwendung auf Fälle auszuschließen, in denen das Verbot für die Parteien unzumutbar wäre. Dies ist geboten, weil die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit und die Vertragsfreiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern erheblich einschränkt. Diese Beeinträchtigungen erweisen sich in der Abwägung mit dem Schutz der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis (Art. 12 Abs. 1 GG) und den im Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG verankerten sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen grundsätzlich als zumutbar. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bezweckten Schutzes vor einer Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung ihrer strukturellen Unterlegenheit und auch einer Gefahr für die soziale Sicherung durch eine Abkehr vom unbefristeten Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform tatsächlich bedürfen (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 53, BVerfGE 149, 126). Die mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einhergehenden Beeinträchtigungen der Rechte der Arbeitsplatzsuchenden und der Arbeitgeber, erneut einen Arbeitsvertrag sachgrundlos zu befristen, stehen auch nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zwecken, denn die Arbeitsgerichte können – und müssen – die Anwendung der Norm in verfassungskonformer Auslegung auf Fälle ausschließen, in denen dies für die Beteiligten unzumutbar wäre (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 55, aaO).
18
Das Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber ist danach unzumutbar, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Der mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgte Schutzzweck kann in diesen Fällen das Verbot einer sachgrundlos befristeten Wiedereinstellung nicht rechtfertigen, soweit das legitime Interesse der Arbeitssuchenden an einer auch nur befristeten Beschäftigung und das ebenfalls legitime Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber entgegensteht (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 62, BVerfGE 149, 126). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 63, aaO). So liegt es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung (vgl. dazu BAG 6. April 2011 – 7 AZR 716/09 – Rn. 2, BAGE 137, 275) oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 63 mwN, aaO).
19
bb) Danach liegen die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im vorliegenden Fall nicht vor.
20
(1) Das Bundesverfassungsgericht hat nicht näher definiert, wann eine Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt, „ganz anders“ geartet oder „von sehr kurzer“ Dauer war. Dies ist unter Berücksichtigung des Grundes für die verfassungskonforme Auslegung, die Anwendung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auf Fälle, in denen das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar wäre, auszuschließen, sowie unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht genannten Beispielsfälle zu beurteilen. Letztlich bedarf es hierzu einer Würdigung des Einzelfalls (BAG 21. August 2019 – 7 AZR 452/17 – Rn. 23, BAGE 167, 334; 17. April 2019 – 7 AZR 323/17 – Rn. 22 mwN; 23. Januar 2019 – 7 AZR 733/16 – Rn. 24 mwN, BAGE 165, 116).
21
(2) Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien enthalten Wertungsspielräume („sehr lang“ zurückliegend, „ganz anders“ geartet, „von sehr kurzer“ Dauer). Grundsätzlich obliegt diese Bewertung den Gerichten der Tatsacheninstanzen (BAG 21. August 2019 – 7 AZR 452/17 – Rn. 27, BAGE 167, 334), denen dabei ein Beurteilungsspielraum zukommt. Es handelt sich um unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ob die Anwendung des Verbots des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG den Parteien wegen der Erfüllung dieser Kriterien unzumutbar ist, unterliegt in der Revisionsinstanz nur einer eingeschränkten Nachprüfung darauf, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Würdigung übersehen wurden (vgl. zum Prüfungsmaßstab bei unbestimmten Rechtsbegriffen BAG 24. Oktober 2018 – 7 ABR 23/17 – Rn. 21 mwN). Sind alle für die Bewertung maßgeblichen Tatsachen festgestellt, kann der Senat die Bewertung ggf. selbst vornehmen (BAG 21. August 2019 – 7 AZR 452/17 – Rn. 27, aaO).
22
(3) Danach hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung sei vorliegend für die Parteien nicht unzumutbar, einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
23
(a) Im Zeitpunkt der erneuten Einstellung des Klägers lag seine Vorbeschäftigung nicht so lange zurück, dass die Nichtanwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG allein wegen des Zeitablaufs verfassungsrechtlich geboten wäre. Zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen lag ein Zeitraum von fünf Jahren und knapp zwei Monaten. Der Senat hat bereits entschieden, dass allein ein Zeitablauf von acht Jahren seit dem Ende der Vorbeschäftigung nicht genügt, um die Unzumutbarkeit des Verbots der sachgrundlosen Befristung zu begründen (BAG 23. Januar 2019 – 7 AZR 733/16 – Rn. 26, BAGE 165, 116). Selbst wenn das vorangegangene Arbeitsverhältnis ca. 15 Jahre zurückliegt, ist dies – ohne das Hinzutreten besonderer Umstände – kein sehr langer Zeitraum in diesem Sinne (BAG 17. April 2019 – 7 AZR 323/17 – Rn. 24).
24
(b) Die Vorbeschäftigung war auch nicht von sehr kurzer Dauer. Die Laufzeit des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses betrug zwei Jahre. Dies entspricht der Höchstdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG und ist nicht als sehr kurz im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzusehen (vgl. BAG 17. April 2019 – 7 AZR 323/17 – Rn. 27; 23. Januar 2019 – 7 AZR 161/15 – Rn. 25).
25
(c) Entgegen der Auffassung der Revision war die Vorbeschäftigung des Klägers als Sachbearbeiter beim Sächsischen Immobilien- und Baumanagement vom 14. April 2008 bis zum 13. April 2010 auch nicht ganz anders geartet als die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Referent bei der Landesdirektion. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen. Allerdings ist die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht frei von Rechtsfehlern.
26
(aa) Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Würdigung maßgeblich auf zwei vom Kläger vorgelegte Stellenausschreibungen mit der Kennziffer 54C/02/17, die eine Sachbearbeiterstelle betrifft, und mit der Kennziffer 194 betreffend die Referentenstelle im Referat 54 „Betriebssicherheit“ der Landesdirektion abgestellt. Die Ausschreibung der Sachbearbeiterstelle mit der Kennziffer 54C/02/17 betrifft allerdings eine Stelle im Referat 54 „Betriebssicherheit“ der Landesdirektion. Dort war der Kläger während seiner Vorbeschäftigung nicht tätig; er war seinerzeit vielmehr als Sachbearbeiter im Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement beschäftigt. Das Landesarbeitsgericht ist daher bei seiner Beurteilung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen und hat demzufolge wesentliche Umstände der Vorbeschäftigung des Klägers unzutreffend berücksichtigt. Dies rügt der Beklagte mit der Revision zu Recht.
27
(bb) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts führt jedoch nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, da sich die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis als zutreffend erweist. Der Senat kann auf der Grundlage der festgestellten und unstreitigen Tatsachen selbst entscheiden, dass die frühere Tätigkeit des Klägers während seiner Vorbeschäftigung iSd. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht ganz anders geartet war als die zuletzt ausgeübte Referententätigkeit.
28
(aaa) Für die Annahme einer „ganz anders gearteten Tätigkeit“ im vorliegenden Zusammenhang ist regelmäßig erforderlich, dass die in dem neuen Arbeitsverhältnis geschuldete Tätigkeit Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordert, die sich wesentlich von denjenigen unterscheiden, die für die Vorbeschäftigung erforderlich waren (vgl. BAG 12. Juni 2019 – 7 AZR 477/17 – Rn. 29; 17. April 2019 – 7 AZR 323/17 – Rn. 26). Das Bundesverfassungsgericht hat die Unzumutbarkeit der Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung beispielsweise bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht, für möglich gehalten (vgl. BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 63, BVerfGE 149, 126). Der Beklagte hat mit der Revision zutreffend darauf hingewiesen, dass danach die Aus- und Weiterbildung nicht zwingend zu einer beruflichen Neuorientierung führen muss. Dies folgt schon aus der Verknüpfung der Fälle „berufliche Neuorientierung“ sowie „Aus- und Weiterbildung“ mit dem Wort „oder“. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht jedoch angenommen, dass nicht jede Aus- und Weiterbildung zur Unzumutbarkeit der Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG führen kann. Dies folgt schon daraus, dass das Bundesverfassungsgericht für beide Alternativen („berufliche Neuorientierung“ – „Aus- und Weiterbildung“) zunächst eine Unterbrechung der Erwerbsbiographie verlangt. Dieser Bruch in der Erwerbsbiographie ist nicht zeitlich, sondern inhaltlich zu verstehen. Insofern dienen die vom Bundesverfassungsgericht genannten Beispielsfälle als Verdeutlichung der Fallgruppe der ganz anders gearteten Tätigkeit und nicht der sehr lang zurückliegenden Vorbeschäftigung (vgl. Lembke/Tegel NZA 2019, 1029, 1034). Eine ganz anders geartete Tätigkeit ist im Zusammenhang mit einer Aus- oder Weiterbildung daher nur anzunehmen, wenn diese den Arbeitnehmer zur Erfüllung von Aufgaben befähigt, die zwar nicht einer beruflichen Neuorientierung im Sinne einer Tätigkeit etwa in einer anderen Branche gleichkommen, aber der Erwerbsbiographie des Arbeitnehmers eine völlig andere Richtung geben. Dies zeigen auch die vom Bundesverfassungsgericht zur Unterbrechung der Erwerbsbiographie zitierten Fundstellen aus dem arbeitsrechtlichen Schrifttum. So verweist Preis auf den Fall einer Krankenschwester, die nach einer langen Qualifikationsphase als Ärztin bei dem gleichen Arbeitgeber eingestellt wird (vgl. Staudinger/Preis [2016] § 620 Rn. 182). Löwisch bezieht sich auf den Fall, dass es sich bei der neuen Stelle um eine gänzlich andere Beschäftigung handelt, für die der Arbeitnehmer erst nach seiner neuen Ausbildung, früher aber überhaupt nicht in Betracht gekommen wäre (vgl. Löwisch BB 2001, 254 f.).
29
(bbb) Dies ist bei der vom Kläger während der Vorbeschäftigung ausgeübten Sachbearbeitertätigkeit und der zuletzt ausgeübten Referententätigkeit nicht der Fall. Zwar bestehen Unterschiede in der konkreten Tätigkeit. Als Sachbearbeiter beim Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement war der Kläger selbst in die Erstellung von technischen Anlagen eingebunden. Als Referent bei der Landesdirektion Sachsen hatte er im Wesentlichen Überwachungsaufgaben zu erledigen. Insbesondere der 50%-ige Anteil der Referentenstelle, der sich auf die Überwachung der Arbeitsschutzgesetzgebung bezieht, findet keine Entsprechung in den Aufgaben als Sachbearbeiter bei dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement. Diese Unterschiede sind jedoch nicht so erheblich, dass von einer ganz anders gearteten Tätigkeit iSd. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auszugehen ist. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Weiterbildung des Klägers an der Sächsischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie.
30
Der Kläger war während seiner Vorbeschäftigung nach dem ihm von dem Beklagten erteilten Arbeitszeugnis „entsprechend seiner Qualifikation als Diplom-Ingenieur der Technischen Gebäudeausrüstung“ als Sachbearbeiter in der Gruppe Betriebstechnik des Bereichs Planungs- und Baumanagement eingesetzt auf dem Gebiet der Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Sanitärtechnik. Nach Ziff. 4.2 der Stellenbeschreibung für die Tätigkeit als Referent muss der Stelleninhaber über ein abgeschlossenes Universitätsstudium als Diplom-Ingenieur verfügen, vorzugsweise in den Fachrichtungen Verfahrenstechnik, Werkstoffkunde oder Maschinenbau; die Tätigkeit erfordert ein umfassendes und vielseitiges hohes technisches, naturwissenschaftliches und verwaltungsrechtliches Fachwissen. Diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger nicht aufgrund seiner Weiterbildung an der Sächsischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie. Hierbei handelt es sich nicht um ein wissenschaftliches Hochschulstudium. Über den für die Tätigkeit erforderlichen Hochschulabschluss verfügte der Kläger bereits seit 1988 aufgrund seines Ingenieurstudiums an der TU D, der ihn auch bereits für die Sachbearbeitertätigkeit befähigt hatte, auch wenn hierfür dem Vortrag des Beklagten zufolge ein Bachelor- oder Fachhochschulabschluss genügt hätte.
31
Der Vortrag des Beklagten, erst die Weiterbildung an der Sächsischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie habe zur Einstellung des Klägers als Referent im Referat 54 „Betriebssicherheit“ der Landesdirektion Sachsen geführt, ist vor dem Hintergrund der Studieninhalte nicht nachvollziehbar. Es handelte sich gerade nicht um einen technischen Abschluss, sondern um einen Abschluss als Betriebswirt. Ausweislich des zu den Akten gereichten Stoffplans lag der Schwerpunkt der Weiterbildung im Bereich Wirtschaftswissenschaften (496 Stunden). Dies wurde ergänzt durch 180 Stunden Privatrecht. Das gesamte öffentliche Recht wurde nur im Umfang von 248 Stunden unterrichtet. Inwieweit das Produktsicherheitsgesetz, die Betriebssicherheitsverordnung, das Arbeitsschutzgesetz und das Arbeitssicherheitsgesetz Gegenstand der Weiterbildung waren, ist nicht ersichtlich. Nach den in der Stellenbeschreibung für die Referentenstelle angeführten Anforderungen muss der Stelleninhaber befähigt sein, sowohl den technischen Aufbau und die Funktionsweise der Anlagen als auch die verfahrenstechnischen Abläufe im Anlagenbetrieb zu verstehen und zu bewerten. Zudem muss er aktuelle Kenntnisse über einschlägige Sicherheitstechnik haben. All diese Kenntnisse hat der Kläger nicht im Rahmen seiner Weiterbildung erworben, sondern verfügte über sie offenbar aufgrund seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit bei verschiedenen Arbeitgebern und aufgrund seines Studiums als Diplom-Ingenieur.
32
Die Weiterbildung an der Sächsischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie war daher nicht mit einem Bruch in der Erwerbsbiographie des Klägers verbunden. Vielmehr war die Erwerbsbiographie des Klägers seit dem Abschluss des Ingenieurstudiums an der TU D im Jahr 1988 im Bereich Technische Gebäudeausrüstung auf die Erbringung von Tätigkeiten in diesem technischen Bereich ausgelegt. Die Weiterbildung vermittelte ihm allenfalls zusätzliche für die Referentenstelle förderliche Rechtskenntnisse. Die erneute Einstellung bei dem Beklagten erfolgte daher im Rahmen der von seinem Ingenieurstudium an der TU D geprägten Erwerbsbiographie des Klägers. Deshalb ist die Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG für die Parteien nicht unzumutbar.
33
II. Der Antrag zu 2. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zutreffend dahingehend ausgelegt, dass der Kläger die Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits begehrt. Der Rechtsstreit ist mit der Verkündung der Entscheidung des Senats rechtskräftig abgeschlossen.
34
III. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.


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