Das Bundesverfassungsgericht bestätigt mit Beschluss vom 09.04.2014, 1 BvR 3185/09 die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.09.2009, 1 AZR 972/08 zur Zulässigkeit einer Flasmob-Aktion, die zur Unterstützung eines rechtmäßigen Streiks organisiert wurde, um die Weiterführung des Betriebs durch sog. Streikbrecher zu beeinträchtigen.
Das Recht zum Arbeitskampf/Streik und die Voraussetzungen eines rechtmäßigen Arbeitskampfs sind gesetzlich nicht unmittelbar festgelegt sondern vielmehr durch die Rechtsprechung. Das Recht zum Arbeitskampf ergibt sich auf der Koalitionsfreiheit in Art. 9 III GG. Kurz gesagt sind die Voraussetzungen eines rechtmäßigen Streiks:
- gewerkschaftlich organisiert
- als letztes Mittel nach Ausschöpfung aller sonstigen Möglichkeiten, das Ziel zu erreichen
- kein Verstoß gegen eine Friedenspflicht
- Verfolgung eines tarifvertraglich regelbaren Ziels
Die streitgegenständliche Flashmob-Aktion wurde mit einem Flugblatt mit folgendem Text iniziiert:
„Wunschliste der EinzelhändlerInnen an Gewerkschaftsmitglieder und alle, die uns unterstützen wollen
- Bitte kaufe nicht in Filialen ein, die bestreikt werden! Informationen darüber erhältst Du in unserem Fachbereich, Tel. …
- Meide Sonntagseinkäufe und Einkäufe nach 20.00 Uhr!
- Sei freundlich und rücksichtsvoll den Kolleginnen im Verkauf gegenüber, besonders in der Vorweihnachtszeit! Gerade da haben wir im Handel alle Hände voll zu tun.
- Hast Du Lust, Dich an Flashmob-Aktionen zu beteiligen?
Gib uns Deine Handy-Nummer und dann lass uns zu dem per SMS gesendeten Zeitpunkt zusammen in einer bestreikten Filiale, in der Streikbrecher arbeiten, gezielt einkaufen gehen, z. B. so:
- Viele Menschen kaufen zur gleichen Zeit einen Pfennig-Artikel und blockieren damit für längere Zeit den Kassenbereich.
- Viele Menschen packen zur gleichen Zeit ihre Einkaufswagen voll (bitte keine Frischware!!!) und lassen sie dann stehen.
- Schicke ein Fax an Leiharbeitsfirmen, die ihre Beschäftigten als Streikbrecher im Einzelhandel einsetzen lassen und protestiere dagegen!
Die Liste mit den Abschriften/Faxnummern dieser Firmen werden wir in Kürze auf unserer Homepage http:// veröffentlichen.“
Der Leitsatz des BAG zu seiner Entscheidung lautet:
Eine streikbegleitende Aktion, mit der eine Gewerkschaft in einem öffentlich zugänglichen Betrieb kurzfristig und überraschend eine Störung betrieblicher Abläufe hervorrufen will, um zur Durchsetzung tariflicher Ziele Druck auf die Arbeitgeberseite auszuüben, ist nicht generell unzulässig. Der damit verbundene Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des betroffenen Arbeitgebers kann aus Gründen des Arbeitskampfrechts gerechtfertigt sein, wenn dem Arbeitgeber wirksame Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Der Orientierungssatz des BAG zu seiner Entscheidung lautet:
1. Sogenannte "Flashmob-Aktionen", bei denen viele Menschen koordiniert zur gleichen Zeit Artikel von geringem Wert einkaufen, um so für längere Zeit den Kassenbereich zu blockieren, oder viele Menschen zur gleichen Zeit ihre Einkaufswagen befüllen, um diese dann an der Kasse oder anderswo in den Filialräumen stehen zu lassen, führen eine gezielte Störung betrieblicher Abläufe herbei und stellen typischerweise einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Einzelhändlers dar.
2. Bei streikbegleitenden "Flashmob-Aktionen" handelt sich um eine koalitionsspezifische Betätigung der Gewerkschaft. Dem steht nicht entgegen, dass derartige Aktionsformen bislang kein typisches, in der Geschichte des Arbeitskampfs schon seit längerem bekanntes und anerkanntes, sondern ein neues Arbeitskampfmittel sind. Dem Schutz des Art 9 Abs 3 GG unterfällt nicht nur ein historisch gewachsener, abschließender numerus clausus von Arbeitskampfmitteln. Vielmehr gehört es zur verfassungsrechtlich geschützten Freiheit der Koalitionen, ihre Kampfmittel an die sich wandelnden Umstände anzupassen, um dem Gegner gewachsen zu bleiben und ausgewogene Tarifabschlüsse zu erzielen.
3. Der Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG auch nicht etwa deshalb versperrt, weil nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass sich an gewerkschaftlichen "Flashmob-Aktionen" auch Dritte beteiligen. Hierdurch wird die Aktion nicht typischerweise zum Demonstrationsarbeitskampf, der auf eine kollektive Meinungsäußerung zu etwaigen politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen gerichtet ist und nicht der Durchsetzung tariflicher Forderungen dient.
4. Der Umstand, dass zum Zwecke des Arbeitskampfs durchgeführte "Flashmob-Aktionen" dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG unterfallen, bedeutet nicht, dass sie deshalb stets zulässig wären. Ihre Zulässigkeit richtet sich vielmehr nach der Ausgestaltung des Grundrechts durch die Rechtsordnung. Maßgebliches Prinzip ist insoweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiten Sinn.
5. Gegen die Entscheidung wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Über diese Verfassungsbeschwerde wurde nun entschieden (s. Link zur Pressemitteilung im Eingangstext) und die Rechtmäßigkeit der Aktion in vorliegender Sache festgestellt.