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Arbeitsrecht : Streikrecht, die Bahn, Weselsky und die Presse
20.05.2015 08:33 (4923 x gelesen)

Man meint, in Deutschland sei alles bis ins Detail gesetzlich geregelt. In sehr vielen Bereichen ist das auch so. Die Zeitung Die Welt schrieb 2004 über die Steuergesetzgebung, es gäbe gut 200 Gesetze und fast 100.000 Verordnungen. Die Menge dürfte zugenommen haben.

Umso erstaunlicher ist es, dass die Voraussetzungen eines rechtmäßigen Streiks nirgends gesetzlich geregelt sind sondern allein durch die Rechtsprechung des BAG. Allein in Art. 9 III GG ist das grundsätzliche Recht zum Arbeitskampf verfassungsrechtlich verankert. Doch das Grundgesetz bindet unmittelbar nur den Staat (s. Art. 1 III GG).



Es gibt vier Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Streik:

1. Nur eine Gewerkschaft darf zum Streik aufrufen

2. Mit dem Streik muss ein tarifvertraglich regelbares Ziel verfolgt werden

3. Es darf nicht gegen eine tarifvertraglich vereinbarte Friedenspflicht verstoßen werden

4. Der Streik muß verhältnismäßig sein, d. h. alle Versuche (Verhandlungen, Warnstreiks, Erfolgsaussichten einer Schlichtung), den Konflikt anderweitig zu lösen müssen gescheitert sein

Fehlt eine der Voraussetzungen, handelt es sich um einen sog. wilden Streik. Arbeitsrechtlich ist das ein Fall von Arbeitsverweigerung mit den Konsequenzen Ermahnung, Abmahnung, ordentliche Kündigung oder fristlose Kündigung. U. U. macht sich ein Arbeitnehmer auch schadensersatzpflichtig.

Um den Streik vom 04.-10.05.2015 zu verhindern, hat die Deutsche Bahn (so weit bekannt) noch nicht einmal den Versuch unternommen, durch ein arbeitsgerichtliches Eilverfahren die (vermeintliche) Rechtswidrigkeit des Streiks feststellen zu lassen, da ein solcher Antrag offensichtlich aussichslos gewesen wäre. Es wäre für Bahn und den überwiegenden Teil der Presse, für Frau Nahles (forderte die Tarifeinheit) und Herrn Dobrint (forderte eine Zwangsschlichtung) u. a. auch fatal gewesen, wenn ein Gericht die (gegebene) Rechtmäßigkeit ausdrücklich bestätigt hätte.

Am 20.05.2015, zu Beginn des 7. Streiks seit 2014 (inkl. Warnstreiks (Verhältnismäßigkeit!!)) schreibt Spiegel Online:

Zitat: Weselsky rüttelt am Deutschland-Prinzip / Mit seiner kompromisslosen Haltung nervt Claus Weselsky die gesamte Republik. Denn der GDL-Boss kündigt damit den unausgesprochenen Konsens auf, dass in Deutschland alles nach Fahrplan zu laufen hat - selbst Konflikte. Zitatende

Liebe Spiegel-Redaktion und (zu viele) weitere Medien, liebe Frau Nahles, lieber Herr Dobrint u. a.,

Ihr rüttelt an der Verfassung der BRD, dem Grundgesetz. Genauer: an unveräußerlichen Menschenrechten! Und Ihr redet und schreibt furchterregende Stimmungsmache. Angeblich um einen gesamtvolkswirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Es lief auf Deutschem Boden schon viel genau nach Fahrplan. Gut war dabei aber längst nicht alles.

Etwas mit der geplanten Tarifeinheit vergleichbares gab es schon: Übertragen auf das Mehrparteiensystem der BRD wäre es so, als würde man alle Parteien bis auf eine abschaffen. Etwas abgemildert: Zwar dürfen viele Parteien bestehen bleiben, aber nur eine bestimmt die politische Richtung. Kommt bekannt vor: Auch in der DDR gab es mehrere Parteien. Zu Beginn des Dritten Reichs gab es mehrere Parteien. Und selbst in Nordkorea gibt es nicht nur die Partei der Arbeit Koreas. Aber nur eine hat/hatte das Sagen! Auf die Wirtschaft übertragen fördert die Tarifeinheit eine Monopolstellung. Weder in der Politik noch in der Wirtschaft will man das, weil es die Demokratie bzw. die Lauterkeit des Wettbewerbs aushöhlt und letztlich beseitigt. Wettbewerb ist gut.

Streiken Arbeitnehmer der Post oder von DHL, merkt es der Bürger nicht so sehr, wie beim Lokführerstreik. Nun sind beim Lokführerstreik viele unmittelbar betroffen und allein das ist der Grund, für den Aufschrei. Beeinflußt von unvollständigen und teils unwahren Äußerungen in Politik, Presse und von der Bahn, insb. von Personalvorstand Ulrich Weber, der nach eigener Aussage gar nicht mehr weiß, welches Ziel die GDL denn verfolgt (das muß ein schlechter Diener der Bahn sein).

Die Tarifeinheit kann letztlich dazu führen, dass alle vertretenen Gewerkschaften außer der mit den meisten Mitgliedern keine Tarifverträge mehr abschließen können, also auch nicht mehr das Recht haben, zum Streik aufzurufen (s. o. Nr. 2 der Voraussetzungen eines rechtmäßigen Streiks). Eine Zwangsschlichtung beschneidet das Streikrecht unmittelbar. Dann ist Art. 9 III GG ausgehebelt!

Artikel 20 III GG: Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Herr Weselsky, bleiben Sie ruhig auf Kurs!


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