Das BAG hat 2011 eine arbeitsrechtlich für Arbeitnehmer katastrophale und verfassungsrechtlich wegen Mißachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung (gelinde gesagt) höchst bedenklliche Entscheidung getroffen: Die sachgrundlose (kalendermäßige) Befristung von Arbeitsverträgen soll - trotz des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes - zulässig sein, wenn der/die Arbeitnehmer/in in den letzten drei Jahren davor nicht vom selben Arbeitgeber beschäftigt wurde. Jetzt hat der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluß vom 06.06.2018, 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 die notwendige Korrektur vorgenommen - und eine Schelte an der Rechtsprechung des BAG nicht unterlassen.
Sachgrundlose Befristungen waren und sind vom Gesetzgeber nicht gewollt. Sie sollten als Einstiegsmöglichkeit ins Berufsleben dienen. Aus Arbeitgebersicht sind sie die Möglichkeit, Arbeitnehmer/innen über 6 Monate Hinaus (Probezeitkündigung) bis zu zwei Jahre lang "auszuprobieren". Aber nur, wenn zwischen den Parteien zuvor kein Arbeitsverhälrtnis bestanden hat. Die dem gewünschten Ergebnis geschuldete Entscheidung des BAG wurde vielfach kritisiert und auch auf dieser Homepage mit Beitrag vom 14.04.2011 und vom 26.03.2014 einschließlich der zutreffenden und scharfen Kritik des LAG Baden-Würrtemberg beschrieben.
Das Wort "zuvor" ist zeitlich uneingeschränkt. Das BAG wollte das 2011, als Bundesländer die beklagten Arbeitgeber waren, plötzlich im Sinne von "innerhalb der letzten drei Jahre" verstanden wissen und hat sich damit verfassungswidrig zum Ersatzgesetzgeber gemacht, so die Kritik des LAG Baden-Würtemberg u. a.
Das Problem ist, nach der rechtlich nicht nachvollziehbaren, bzw. im Widerspruch zu Gesetz und gesetzgeberischen Willen stehenden Ansicht des BAG könnte ein Arbeitgeber geeignete Arbeitsplätze im zweijährigen Wechsel mit drei Arbeitnehmern/innen besetzen und so den gesetzlichen Kündigungsschutz völlig aushebeln. Insbesondere Arbeitspltze, die wenig Qualifikation erfordern, wären hierzu geeignet und damit besonders schutzwürdige Arbeitnehmer/innen nachteilig betroffen.
Etwas Erleichterung bringt nun der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 06.06.2018 mit folgenden Leitsätzen:
1. Die gesetzliche Beschränkung befristeter Beschäftigungsformen und die Sicherung der unbefristeten Dauerbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform trägt der sich aus Art. 12 I GG ergebenden Pflicht des Staates zum Schutz der strukturell unterlegenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und dem Sozialstaatsprinzip der Art. 20 I, Art. 28 I GG Rechnung.
3. Richterliche Rechtsfortbildung darf den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen.
- 2. Die mit einer Beschränkung der sachgrundlosen Befristung auf die erstmalige Beschäftigung bei dem jeweiligen Arbeitgeber einhergehende Beeinträchtigung der individuellen Berufsfreiheit ist insoweit gerechtfertigt, als es ihrer für den Schutz vor der Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit und zur Sicherung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Regelfall bedarf.
Der Beschluß ist hier im Volltext abrufbar.