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Arbeitsrecht : Anspruch aus betrieblicher Übung; Wirksamkeit einer doppelten Schriftformklausel
18.10.2012 11:30 (7418 x gelesen)

Das Entstehen von individuellen, einklagbaren Ansprüchen aus Betrieblicher Übung, bzw. durch Gewohnheitsrecht, setzt neben einem Umstandsfaktor, nämlich der vorbehaltslosen Gewährung einer Leistung auch einen Zeitfaktor, die regelmäßige Wiederholung voraus (Gleichförmigkeit). So entsteht auf Weihnachtsgeld ein solcher Anspruch, wenn der Arbeitgeber es drei Jahre hintereinander ohne Freiwilligkeitsvorbehalt auszahlt. Der Arbeitnehmer kann dann darauf vertrauen, dass es auch im vierten Jahr gezahlt wird. Das Entstehen einer betrieblichen Übung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn im Arbeitsvertrag mit einer (einfachen) Schriftformklausel jede Änderung des Vertrags der Schriftform bedarf, denn diese Schriftformklausel kann konkludent oder mündlich wieder aufgehoben werden. Schutz hiervor kann u. U. nur eine doppelte Schriftformklausel bieten, die sich aber inneralb Allgemeiner Geschäftsbedingungen an § 307 I 1 BGB messen lassen muß und nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.05.2008, 9 AZR 382/07 einen Anspruch durch betriebliche Übung nur noch bedingt verhindern kann.

Bei betrieblicher Übung kommt es darauf an, wie der Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger das Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte. Beruht die Gleichförmigkeit nur darauf, dass ein Arbeitnehmer jeweils dieselbe Leistung erhält wie bestimmte andere Arbeitnehmer, diese anderen Arbeitnehmer aber jeweils unterschiedliche - nicht gleichförmige - Leistungen erhalten, entsteht für keinen der Arbeitnehmer ein Anspruch aus betrieblicher Übung. Betriebliche Übung ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Parteien nach zweimaliger Leistung das Vertragsverhältnis auf eine neue vertragliche Grundlagen stellen, indem sie vereinbaren, dass außer den aktuell schriftlich fixierten Vergütungsbestandteilen keine weiteren Ansprüche bestehen.

ArbG Cottbus vom 12.09.2012, 2 Ca 1857/11:

 

Tenor

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 62.000,00 Euro.

 

 

Tatbestand

 

Die Parteien streiten über die Zahlung von Prämien aufgrund der Teilnahme an DFB-Pokalspielen aufgrund betrieblicher Übung.



Der Kläger war bei dem Beklagten, einem Fußballverein der zweiten Bundesliga, als Manager in der Zeit vom 01. Juni 2006 bis zum 30. Juni 2011 beschäftigt. Aufgrund seines Arbeitsvertrages vom 15. Juni 2006 erhielt der Kläger für die Tätigkeit als Manager in der ersten oder zweiten Bundesliga ein Gehalt von 10.000,00 Euro brutto bzw. 8.000,00 Euro brutto und zusätzlich Punktprämien für Ligaspiele und das Inaussichtstellen einer Nichtabstiegsprämie bzw. einer Aufstiegsprämie.



Im Arbeitsvertrag regelten die Parteien des Weiteren in § 16 Absatz 1 des Vertrages folgendes:

„(1) Änderungen, Ergänzungen und Nebenabreden bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform, dies gilt auch für die Aufhebung der Schriftform selbst.“



Der Beklagte zahlte zusätzlich zum im Vertrag geregelten Entgelt nach entsprechenden Präsidiumsbeschlüssen Prämien für die Teilnahme an DFB-Pokalspielen. In der Regel kehrte der Verein die Hälfte der Mehreinnahmen aus Pokalspielen an die Spieler und das Funktionsteam aus. Der Kläger erhielt jeweils dieselbe Prämie wie die Spieler der Anfangsformation. Über die entsprechenden Beschlüsse liegen Protokolle vor. Die Mitglieder des Funktionsteams sind – wie auch die Spieler – namentlich mit der an sie jeweils zu zahlenden Prämie aufgeführt.



In der Saison 2008 /2009 zahlte der Beklagte an die Spieler der Anfangsformation und an den Kläger für das Erreichen der zweiten Hauptrunde 3000,00 Euro und für das Erreichen des Achtelfinales 6.000,00 Euro aus.



Am 25. Februar 2009 schlossen die Parteien einen Ergänzungsvertrag, in dem die Vergütungsbestandteile neu geregelt wurden. In § 4 Absatz 4 des Vertrages regelten die Parteien:

„Weitere Vergütungsbestandteile sind zwischen den Parteien ab dem 01. Juli 2009 bis auf Weiteres nicht vereinbart.“



Im August 2009 stellte der Beklagte den Kläger unter Fortzahlung der Bezüge von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei.



In der Saison 2009/2010 zahlte der Beklagte für das Erreichen der zweiten Hauptrunde an die Spieler der Anfangsformation und an den Kläger je 3.000,00 Euro aus. Dies erfolgte aufgrund des Präsidiumsbeschlusses vom 01. September 2009.



In der weiteren Saison 2010/2011 beschloss der Beklagte durch sein Präsidium, dass bestimmte Spieler und bestimmte Personen des Funktionsteams eine Prämie erhalten werden, wenn die dritte Runde im Pokal (Achtelfinale) erreicht werden würde. Gleiches beschloss das Präsidium für den Fall, dass die nächste Runde (Viertelfinale) erreicht werden würde und in der Folgezeit auch durch Präsidiumsbeschluss, falls das Halbfinale erreicht werden würde. Insgesamt lobte das Präsidium 62.000,00 Euro aus, die auch ausgezahlt wurden, weil die jeweiligen Ziele erreicht wurden.



Der Kläger verfolgt mit seiner Klage die Zahlung der Prämien für die Saison 2010/2011 in Höhe von insgesamt 62.000,00 Euro.



Der Kläger ist der Auffassung, es liege eine betriebliche Übung vor. Die betriebliche Übung beruhe darauf, dass der Kläger jeweils denselben Betrag erhalten hätte, den die Spieler der Anfangsformation erhalten hätten. Mit der letzten Zahlung in der Saison 2009/2010 in Höhe von 3.000,00 Euro sei das dritte Mal in Folge vorbehaltlos eine Leistung durch den Beklagten erfolgt.



Der Anspruch sei auch nicht vertraglich ausgeschlossen, weil die sog. doppelte Schriftformklausel wegen des Transparenzgebotes unwirksam sei. Es handele sich auch um eine Klausel, auf die die Vorschriften zur AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff BGB Anwendung fänden. Auch sei die Leistung nicht ausgeschlossen, weil eine vertragliche Änderung im Jahr 2009 vorgenommen worden sei. Diese wirke sich nicht auf eine weiterhin fortgeführte betriebliche Übung aus.

 

Der Kläger beantragt,

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 62.000,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2011 zu zahlen.

 

 

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte ist der Auffassung, es liege bereits keine betriebliche Übung vor, weil das Präsidium jeweils durch Einzelfall entschieden habe. Es habe teilweise als Belohnung für das Erreichen einer weiteren Runde im Pokal gezahlt und teilweise im Vorhinein Leistungen ausgelobt. Auch seien einzelne Begünstigte individuell bezeichnet. Die Zahlungen seien auch in unterschiedlicher Höhe erfolgt. Es liege deshalb schon kein gleichförmiges Verhalten des Arbeitgebers vor. Der Anspruch sei auch wegen der wirksamen doppelten Schriftformklausel ausgeschlossen. Jedenfalls sei ein etwaiger Anspruch wegen des Ergänzungsvertrages und dessen § 4 Absatz 4 beseitigt worden, weil die Parteien hier ausdrücklich regelten, dass weitere Vergütungsbestandteile nicht vereinbart seien.



Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

I. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 62.000,00 Euro aus dem Grundsatz der betrieblichen Übung.



1. Die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung liegen nicht vor.

Eine betriebliche Übung ist ein mindestens dreimaliges wiederholtes, gleichförmiges Verhalten des Arbeitgebers, das von dem Arbeitnehmer stillschweigend angenommen wird, vergleiche BAG vom 14.08.1996, AP BGB § 242 BÜ Nr. 47. Dabei kommt es darauf an, wie der Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger das Verhalten unter Berücksichtigung alle Begleitumstände nach § 137, 157 BGB verstehen musste.

Schon wenn nach Gutdünken jährlich in unterschiedlicher Höhe eine Leistung gewährt wird, wird dies als Vorbehalt gewertet, diese Leistung nur für das jeweilige Jahr zu zahlen, vergleiche BAG vom 28.02.1996, AP § 611 BGB Gratifikation Nr. 192.

Vorliegend ist keine betriebliche Übung entstanden, weil der Verein jeweils im Einzelfall eine unterschiedlich hohe Leistung ausgezahlt hat. Die jeweiligen Spieler hatten deshalb bereits keinen Anspruch aus dem Grundsatz der betrieblichen Übung. Dieser Auffassung folgt sogar der Kläger. Er begründet die betriebliche Übung auf seiner Seite damit, dass er jeweils akzessorisch dieselbe Leistung erhielt wie die Spieler der Anfangsformation. Wenn aber für die Spieler der Anfangsformation wegen fehlender Gleichförmigkeit der Leistung kein Anspruch auf betriebliche Übung entstehen konnte, kann auch für den Kläger kein solcher Anspruch entstehen. Denn seine Leistung ist abhängig von den Ansprüchen der Spieler.



2. In jedem Fall ist aber ein etwaiger Anspruch aus betrieblicher Übung deshalb ausgeschlossen, weil die Parteien vor Zahlung der dritten Geldsumme ihr Vertragsverhältnis auf eine neue rechtliche Grundlage stellten. Die Parteien regelten im Februar 2009 ausdrücklich, dass außer den in § 4 Absätze 1 bis 3 geregelten Vergütungsbestandteilen weitere Vergütungsbestandteile ab dem 01. Juli 2009 bis auf Weiteres nicht vereinbart sind (§ 4 Absatz 4 des Ergänzungsvertrages vom 25. Februar 2009). Mit dieser Regelung vereinbarten die Parteien, dass ausschließlich die in diesem Ergänzungsvertrag aufgeführten Vergütungsbestandteile an den Kläger ausgezahlt werden sollten. Weitere Ansprüche sollten nicht bestehen. Damit schlossen die Parteien auch Ansprüche aus betrieblicher Übung aus. Der Kläger konnte nach Abschluss dieser vertraglichen Regelung nicht mehr davon ausgehen, dass der Beklagte ihm auch künftig eine Prämie zahlen würde. Eine betriebliche Übung musste nach dieser vertraglichen Regelung neu begründet werden. Nach dieser Vereinbarung zahlte der Beklagte jedoch lediglich noch eine weitere Prämie an den Kläger aus. Eine neue betriebliche Übung ist damit noch nicht entstanden.



3. Auf die Frage der Wirksamkeit der sog. doppelten Schriftformklausel in § 16 des Arbeitsvertrages kam es deshalb nicht an.

 



II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Kläger hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 3 ZPO in Verbindung mit § 23 RVG. Der geltend gemachte Zahlbetrag bildet den Streitwert.

 


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